23.02.2019

„Wir Frauen provozieren“

INTERVIEW Ursula Reindell über ihre Schau „Frau im Wechselspiel der Moderne“. Die Ausstellung wird am 9. März um 18 Uhr in der Remisengalerie von Schloss Philippsruhe eröffnet.



Hanau – „Frau im Wechselspiel der Moderne“ lautet der Titel einer Ausstellung mit Werken von Ursula Reindell, die beim Hanauer Kulturverein in der Remisengalerie von Schloss Philippsruhe im März zu sehen ist. Zu sehen sind Lacktafeln, Malerei, Monotypien, Bronze und Terrakotta-Skulpturen. Im Mittelpunkt der gezeigten Arbeiten steht die Frau, der weibliche Körper, als Spiegelbild in verschiedenen Alterssituationen. Jugend und Vergänglichkeit werden in diesem Rahmen von der Künstlerin behutsam, dynamisch und expressiv umgesetzt, ohne zu verletzen. Die in einigen Bildern oder Skulpturen verhaltene Erotik zeigt sich so fern von Unästhetischem oder Abschreckendem. Für Maria Dorn, Vorsitzende des Hanauer Kulturvereins, ist die Ausstellung der Künstlerin eine weitere Bereicherung im Exposionsportfolio des Kulturvereins. Thematisch passe die Ausstellung sehr gut zu den Hanauer Frauenwochen, die am 1. März starten. Wir haben die Künstlerin im Vorfeld zum Interview getroffen und mit ihr über die Rolle von Frauen in der heutigen Gesellschaft gesprochen.

Sie leben in Bad Kreuznach. Was ist Ihr Bezug zur Stadt Hanau? Wie kam es zum Kontakt mit dem Hanauer Kulturverein?

Natürlich ist mir die Zeichenakademie von Hanau bekannt. Meine Tochter hatte mal mit dem Gedanken gespielt, dort anzufangen, aber der eigentliche Kontakt kam zustande durch das Zusenden von Bildmaterialien an den Hanauer Kulturverein. Der Kunstverein nahm dann Kontakt zu mir auf. Beim Besuch der Remisengalerie hat mir das Ambiente sehr gefallen, und ich freue mich schon sehr auf die Ausstellung.

Sie zeigen Lacktafeln, Malerei, Monotypien, Bronze und Terrakotta Skulpturen – ein breites künstlerisches Spektrum. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich für eine Technik beziehungsweise ein Material?

Nachdem ich mich viel mit Radierungen und verschiedenen Druckgrafiken beschäftigt hatte, Illustrationen zu verschiedenen Texten machte, mit zweidimensionalen Bildern Op-Art/Pop-Art-Siebdrucken experimentiert hatte, war das irgendwann nicht mehr genug. So bin ich zur Dreidimensionalität gekommen, zu den Skulpturen, die ich aus Terrakotta forme. Dieser Werkstoff gibt mir Kraft, und ich fühle die Erdverbundenheit mit dem Material. Und es entstehen nicht nur Frauenkörper, Frauenporträts sondern auch Sumos, männliche Porträts, Köpfe bis hin zu Großskulpturen, in Kunst am Bau verwirklicht. Mich reizt das Experimentelle. An der traditionellen vietnamesischen folkloristischen Lackmalerei hat mich zum Beispiel die Technik interessiert. Wie gelingt es, solch eine Tiefe der Farben und Schattierungen herzustellen? Bis zu zwölf Lackschichten, Farbschichten und Blattsilberplättchen ergeben diese Tiefe – verbunden mit zeichnerischen spiegelnden Gestaltungselementen. So sind dann meine Lacktafeln entstanden. Einige Elemente finden sich dann auch wieder in meinem „Selbstporträt“, dem Bild „Meine Freundin K“ und dem Bild „Die Sängerin A.M.“.

„Frau im Wechselspiel der Moderne“ lautet der Titel Ihrer Ausstellung. Wie steht es Ihrer Meinung nach um das Frauenbild in unserer heutigen Gesellschaft?

Ich möchte mit meiner Ausstellung das im Titel enthaltene Wechselspiel beleuchten, die Menschen mit meiner Kunst mitreißen. Denn der tiefere Sinn ist nicht, dass „man“ Kunst versteht; wichtig ist das Empfinden, das Gefühl, das ausgelöst wird, wenn wir mit einem Bild oder einer Skulptur in einen inneren Dialog kommen und uns fragen: Was ist es, das „es“ in mir auslöst. Erst dann werden die Ebenen „bewusst – unbewusst“ greifbar. Die erotische Ausstrahlung einer Frau hat Auswirkungen – ein kurzer Rock, hochhackige Schuhe provozieren. Sie verändern die Figur, die Ausstrahlung. Wir Frauen provozieren damit und verführen visuell. „Verführen“ beinhaltet einerseits Führung, an die Hand nehmen und andererseits Kommunikation zum Weiblichen, zum Besseren, zur Empathie, zu Mitgefühl und um schließlich Liebe zu erwecken. Weg von der Sexualität, hin zur Liebe und zu Veränderungen. Dies ist die Fähigkeit und auch Macht der Frau. Das Frauenbild in unserer „modernen“ Welt ist allerdings sehr zwiegespalten, ein Teil zeigt sich offen und frei (Blick nach vorn) der andere Teil (größere Teil) wird unterdrückt und ausgebeutet, lebt zum Teil noch wie im Mittelalter. Und es gibt noch viele Facetten dazwischen. „Dürfen“, können oder sollten Frauen selbstbewusst ihre weibliche Ausstrahlung, ihr Auftreten und ihre „Optik“ nutzen, um sich im privaten Rahmen oder gesellschaftlich wie auch beruflich zu etablieren? In unserer Kultur „dürfen“ Frauen glücklicherweise selbstbewusst sein, ohne angefeindet zu werden. In anderen Kulturkreisen ist ihnen die Möglichkeit genommen. Aber so wie auch beispielsweise die Debatte um das Thema Abtreibung wieder hochkommt, gilt es, diese Errungenschaften immer zu verteidigen. Das Wahlrecht wird uns wohl keiner mehr streitig machen. Und über das Tragen von Kopftüchern als Unterdrückungsinstrument wird es wohl noch endlose Debatten geben.

Was macht für Sie die besondere Stärke einer Frau aus? Und wie findet dies Ausdruck in Ihren Werken?

Ich habe in meinen Auslandsaufenthalten insbesondere in Asien viele sehr selbstbewusste starke Frauen in höchsten Positionen kennengelernt, die Männer dagegen waren im Vergleich oft schwach und nur aufs Vergnügen ausgerichtet. In Afrika gibt es Frauen, die mit ungeheurer Energie ihr Leben in die Hand nehmen, Kinder großziehen und die Familie zusammenhalten. Natürlich ist eine der Stärken der Frau die erotische Ausstrahlung, versinnbildlicht in meinen Kleider- und Brautbildern. Die Skulpturen zeigen dagegen selbstbewusste Frauen jeglichen Alters. Die zweite Stärke ist das Kinderkriegen. Da haben wir Frauen eine Monopolstellung, sind aber auch angreifbarer. Kinder springen dann auch durch meine Bilder. Frauen können viele Dinge gleichzeitig machen. Unsere besondere Stärke sind unsere Flexibilität, Anpassung, vorausschauend planen zu müssen und ausgleichend zu wirken. Meine Werke drücken Schönheit, Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit, Erotik und Stolz aus.

Sie haben unter anderem in Hamburg studiert und gelebt, aber auch einige Jahre in verschiedenen asiatischen Ländern. Inwiefern hat dies Ihre Arbeiten und – im Zusammenhang mit der kommenden Ausstellung – auch Ihr Frauenbild geprägt?

Ich war im Ausland die Exotin. Künstlerisch hat mir das viele Türen geöffnet, und es sind viele große Ausstellungen und Beteiligungen an Ausstellungen möglich gewesen. Hier in Deutschland bin ich kein Exot, und dafür hätte ich mir mehr Selbstbewusstsein für die „raue“ künstlerische Welt in Deutschland gewünscht.

Zu Camille Claudel, Bildhauerin und ehemalige Muse und Schülerin Auguste Rodins, über die Sie bei der Finissage einen Vortrag halten werden: Ohne allzu viel vorwegzunehmen – glauben Sie, dass Claudel ein Opfer ihrer Zeit war oder dass solche Schicksale in anderer Form auch heute noch möglich sind?

Auch heute ist das sicherlich möglich – vielleicht nicht mehr so krass – aber möglich. Derjenige oder diejenige, der oder die mehr liebt, ist immer verletzlicher.

Das Gespräch führte Andrea Pauly.

 

Infos zur Ausstellung

Die Ausstellung „Frau im Wechselspiel der Moderne“ von Ursula Reindell beim Hanauer Kulturverein wird am 9. März um 18 Uhr in der Remisengalerie von Schloss Philippsruhe eröffnet. Zur Finissage am Sonntag, 24. März, um 17 Uhr hält Reindell einen Vortrag über Camille Claudel. Die Ausstellung ist samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.
 

Quelle: Hanauer Anzeiger